Landesverbandstagung - LERNEN FÖRDERN

LERNEN FÖRDERN
Landesverband Baden-Württemberg
zur Förderung von Menschen mit Lernbehinderungen e.V.

Kinder brauchen Zeit und Beziehung
Leitfragen für sonderpädagogische Bildungsangebote
Landesverbandstagung Baden-Württemberg
am 14. November 2015 in der Albert-Schweitzer-Schule Herrenberg

Herrenberg, 14.11.2015 – An einem sonnigen Herbsttag folgten 150 Mitglieder von LERNEN FÖRDERN, Freunde und Interessierte der Einladung zur Landesverbandstagung 2015 nach Herrenberg. Dort erwartete sie ein ab- wechslungsreiches und intensives Programm, bei dem Leitfragen für sonderpädagogische Bildungsangebote fachlich diskutiert wurden. Die rundum gelungene Veranstaltung machte deutlich, dass Bildung gelingen kann, wenn diese vom Kind aus gedacht wird, alle Beteiligten gemeinsam Verantwortung übernehmen und intensiv zusammenarbeiten.

 

Bei der zweiten Landesverbandstagung 2015 zeigten sich LERNEN FÖRDERN Herrenberg und die Albert- Schweitzer-Schule als angenehme und vorbildliche Gastgeber. Zum Auftakt wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Trommelgruppe in die kunstvoll geschmückte Turnhalle geleitet und mit einem schwungvollen Lied in den Tag eingestimmt, zwischen den Redebeiträgen gab ein Schattenspiel einen eindrucksvollen Einblick in die Arbeit mit den Jugendlichen. Für das leibliche Wohl wurde mit selbst gemachten Maultaschen und Kartof- felsalat und von den Eltern selbst gebackenem Kuchen gesorgt.

Zum Auftakt bedankte sich Hubert Wyrwich, Sonderschulrektor Albert-Schweitzer-Schule Herrenberg (ASS), bei allen Engagierten. Er betonte, wie wichtig die Verlässlichkeit, die Klarheit und das uneingeschränkte Engagement von LERNEN FÖRDERN zur Sicherung des Bildungsanspruchs von Menschen mit Lernbehinderungen ist. Das Thema dieser Tagung „Leitfragen für sonderpädagogische Bildungsangebote“ sei deshalb ein zentrales Anliegen, greife es doch die elementare Fragestellung auf, was Schülerinnen und Schüler mit einem Anspruch auf ein son- derpädagogisches Bildungsangebot brauchen, um überhaupt erfolgreich lernen zu können. LERNEN FÖRDERN denke dabei vor allem an die Kinder und verwehre sich deshalb auch vehement dagegen, durch schlecht ausge- stattete inklusive Bildungssettings lukratives Einsparpotenzial zu generieren. Konsequent setze sich LERNEN FÖRDERN über all die Jahre dafür ein, den gesamten Bildungs- und Erziehungsprozess vom Kind aus zu betrachten, um eine frühzeitige und bestmögliche Förderung, die Ausbildung von Handlungskompetenzen für ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben und damit die Teilhabe in der Gesellschaft realisieren zu können. Darauf ziele auch die Arbeit an der Albert-Schweitzer-Schule in Herrenberg ab. Diese herausfordernden Ziele lassen sich nur durch eine umfassende und ganzheitliche, an der Lebenswirklichkeit orientierte Förderung, auf der Basis von Geborgenheit, emotionaler Sicherheit, Akzeptanz und Toleranz und nur mit einem besonders großen Engagement realisieren.

Anschließend ging Mechthild Ziegler, Vorsitzende LERNEN FÖRDERN Landesverband, darauf ein, wie wichtig das individuelle Bedürfnis jedes einzelnen Kindes ist. Sie stellte vor, wie in den vergangenen Jahrzehnten Bil- dungsangebote, qualitativ hochwertige Fachkonzepte, entwickelt wurden, die dem Bildungsanspruch unserer Kin- der gerecht wurden und sich in ihrer Umsetzung bewährt haben. Heute bestehe jedoch große Sorge um die Zu- kunft der Bildung; es bestehe die Gefahr, dass bewährte Konzepte nicht mehr umgesetzt werden, da sowohl Förderschulen als auch inklusive Schulen nicht die Rahmenbedingungen herstellen können, die benötigt werden, damit Bildung Kindern gerecht werden kann: „Inklusion muss umgesetzt werden“, sei die Vorgabe, ohne dass die dafür erforderlichen Ressourcen bereitgestellt werden. Es gebe, so Mechthild Ziegler, derzeit vielfach Rückmel- dungen von Eltern, die deutlich machen, dass sich die bestehenden inklusiven Bildungsangebote nicht am indivi- duellen Lern- und Entwicklungsstand ihres Kindes orientieren, dass ihr Kind nicht entsprechend seiner Möglich- keiten lernen kann und wertgeschätzt wird. Wichtig sei deshalb die Auseinandersetzung mit Leitfragen für sonder- pädagogische Bildungsangebote, die vom Kind ausgehen. 

LERNEN FÖRDERN Landesverband Baden-Württemberg Oberbürgermeister Thomas Sprißler hob in seinem Grußwort hervor, wie er in der ASS erlebe, dass Lernen in Beziehungen die Stärken der Kinder zum Vorschein bringe und ihr Selbstbewusstsein stärke. Partnerschaften einzugehen gehöre zum Konzept von LERNEN FÖRDERN in Herrenberg, Hubert Wyrwich und auch bereits sein Vorgänger Gunther Munz, Gründungsmitglied des Landesverbands, seien begnadete Netzwerker und wür- den ihre Vorstellungen nicht nur verbal äußern, sondern diese auch leben. „Jeder Tag, an dem ich nicht lerne, ist ein verlorener Tag“, das müsse auch für alle Kinder gelten.

Vittorio Lazaridis, Leiter der Abteilung Schule und Bildung im Regierungspräsidium Karlsruhe, stimmte dem zu und sagte in seinem Beitrag: „Ich bin heimgekommen, wenn ich in einer Förderschule bin, weiß ich, wo meine Wurzeln liegen.“ Mit den Leitfragen gebe der Landesverband ein deutliches Signal, dass es nicht um die Organi- sation und um Strukturen gehen darf, sondern als Kernpunkt fachliche Themen im Vordergrund stehen müssen. Der Prozess müsse von der Diagnostik zur Bildungsplanung gehen, unabhängig vom Lernort, dabei komme es auf eine Umsetzung in ICF geleiteter Bildungsplanung an. Das Schulgesetz gebe dazu lediglich den formalen Rahmen, Bildung müsse stets vor Ort von Schulen in Zusammenarbeit mit ihren Partnern gestaltet werden.

Ministerialrat Sönke Asmussen informierte in seinem Beitrag „Aktuelle Entwicklungen“ über die Kernpunkte der Schulgesetzänderung und aktuelle Entwicklungsaufgaben der anstehenden Inklusionsverordnung: Seit diesem Schuljahr gebe es in Baden-Württemberg keine Pflicht mehr zum Besuch der Sonderschule. Es gehe jetzt um die Feststellung eines Anspruchs auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot. Inklusion sei pädagogische Auf- gabe aller Schulen, zieldifferenter Unterricht sei im Schulgesetz verankert. Inklusive Bildungsangebote werden grundsätzlich gruppenbezogen angelegt. Eltern werden umfassend über mögliche Bildungsangebote informiert und können sich für eine allgemeine Schule oder ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) entscheiden. Damit inklusive Bildung gelingen könne, sei eine systematische Zusammenarbeit der allge- meinen Schulen mit den SBBZ erforderlich. „Im Mittelpunkt der Entwicklung muss der Bedarf des Kindes stehen“, brachte Sönke Asmussen seine Überzeugung zum Ausdruck.

Prof. Karl-Heinz Eser ging in seinem Vortrag zu den „Leitfragen für die Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Lernbehinderungen“ zunächst auf Fragen zu Lernbehinderung und Inklusion ein und beendete seinen Bei- trag mit Leitfragen, ohne die Bildung für Kinder und Jugendliche nicht gelingen kann. (siehe Beitrag LF 4 2015)

Am Nachmittag hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Gelegenheit, sich zu aktuellen Entwicklungen mit Sönke Asmussen und mit Prof. Karl-Heinz Eser zu den Leitfragen für die Bildung auszutauschen und sich an Workshops zu Leitfragen der frühkindlichen Bildung mit Ingrid Schmid, zur Stärkung der psychischen Wider- standsfähigkeit mit Ernst Heimes, zur bindungsorientierten sonderpädagogischen Bildung mit Dr. Dipl. Psychologe Hans-Günter Garz und zur Werteerziehung mit Petra Zienteck zu beteiligen. Außerdem konnten die Teil- nehmerinnen und Teilnehmer allgemein zu Entwicklungen der Bildung mit Uschi Mittag diskutieren. Einblick in die pädagogische Arbeit ihrer Schule gaben Susanne Pohl mit dem Thema „Diagnostik im Spiegel der ICF“, Gisela Friedemann zu den Leitfragen inklusiver Bildung und Kathrin Görz und Hubert Wyrwich zu den ergän- zenden Angeboten der Albert-Schweitzer-Schule und LERNEN FÖRDERN Herrenberg. Bei Bernhard Schieber ging es um Leitfragen für die Berufliche Bildung im Berufsbildungswerk Waiblingen und um sein Konzept Affekt- kontrolltraining. Isabel Müller stellte Angebote für Kinder und Jugendliche von LERNEN FÖRDERN Bad Lieben- zell vor und Christian und Friederike Ramin besprachen mit Jugendlichen für sie selbst wichtige Themen.